General Graf Dillen

[128] Der Hof in Stuttgart und Ludwigsburg war außerordentlich bunt, er wimmelte von Hofbeamten, Günstlingen, bevorzugten Sängerinnen, den prächtigen Uniformen der Garde du Corps, der Chevauxlegers, der andern vier Garde-Regimenter und eines Generalstabes, der, bei 8 – 10,000 Mann Stärke der Armee, 3 Feldmarschälle, 14 Generäle u.s.w. umfaßte, und bei den Abendzirkeln des Königs, wo bald Matthisson vorlas, bald musizirt wurde, bald aber auch eine Anzahl ungebildeter, aber schöner Jagdjunker und Pagen ihr pöbelhaftes[128] Wesen trieb, das den König belustigte, herrschte ein mehr als laxer Ton. Der interessanteste aber auch niedrigste und verachtetste und gehaßteste Günstling des Königs war der General von Dillen, der als Bereiterjunge mit Namen Dillenius in den Dienst des Hofs gekommen, schon sechs Jahre darauf geadelt, 1810 baronisirt und 1812 zum Grafen gemacht und, ohne alle militärische oder administrative Verdienste, mit allen Ehren überhäuft wurde. Dieser Graf Dillen beherrschte den König vollständig, bereicherte sich mit und ohne Wissen desselben auf alle mögliche Weise und cultivirte besonders den Handel mit Staatsbeamtenstellen in der schamlosesten Form. Er war es auch, der eine Industrie erfand, die später selbst von sehr hochgestellten Personen des Würtemberger Hofes unter der Hand getrieben wurde und die darin bestand, daß man gegen eine namhafte Summe jungen Leuten den Titel eines Hofbeamten verschaffte und ihn dadurch vom Militärdienste befreite.

Dillen war der böse Genius des Königs.

Dieser war von unförmlichem Körperumfange, der von Jahr zu Jahr wuchs. Schon 1807 mußte ein Ausschnitt in seinen Speisetisch gemacht werden, um ihm das Selbstessen möglich zu machen. Das blasse Gesicht ging durch die Fülle der Wangen nach unten dreieckig auseinander. Die Augen waren klein und lebendig, der Mund nicht ohne Ausdruck und sein Lächeln war sogar sein und liebenswürdig. Der König sprach viel und hastig, oft voll Geist, gefiel sich aber eben so häufig in plumpen Späßen und Zoten. Er konnte sehr anziehend sein, fiel aber zu häufig in leidenschaftliche Affectionen aller Art, als daß man seiner Geselligkeit hätte froh werden können. Sein Zorn war schrecklich und rücksichtslos bis zu den wildesten Handlungen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 128-129.
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